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Plagiat mit Original vermischt

Eierbuch-Story eskaliert

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Wie weit soll das alles noch gehen? Schritt eins: Ihr kopiert unser Buch. Schritt zwei: Trotz Enttarnung macht ihr weiter Promo für eure dreiste Kopie. Schritt drei: Ihr bewerbt euer Plagiat nicht nur mit den Karten aus eurem Plagiat, sondern auch mit Karten aus unserem aktuellen KATAPULT-Buch. So was würde natürlich kein Verlag machen - niemals. Nur Hoffmann und Campe (Hoca) eben doch. Ihr seid so ein ätzender Laden, das hätte ich selbst nach meinem ersten Eierbuch-Artikel nicht für möglich gehalten!

Von vorne: Es ist Wochenende. Ich gucke mal in unsere Regionalzeitung: Die heißt Ostsee-Zeitung (OZ) und ist mal so und mal so. Blätter durch bis zum Artikel “Die Poesie der Diagramme”. Wow, ganze Doppelseite mit Karten. Sieht bunt aus. Es gibt eine große Aufmacherkarte. Ich kenne diese Karte, weil sie von KATAPULT stammt. Sie ist aus unserem neuen Buch. Wir werden korrekt als Quelle angegeben. Super. Das müsste ein Artikel über unser neues Buch sein, denke ich. Geht ja gar nicht anders, ist ja schließlich unsere Karte ganz groß in der Mitte.

Oh, geht doch anders. Auf der gleichen Seite gibt jemand ein Interview über Karten, oder nee, sorry - über die “Poesie der Diagramme”. Wer ist denn der Poet? Tin Fischer. Ah, alles klar. Tin Fischer wird jetzt auch mal zu den Plagiatsvorwürfen interviewt. Finde ich fair. Lese Interview. Mal gucken, wie er auf die Plagiatsvorwürfe reagiert. Es geht zunächst darum, worüber er “schmunzeln kann” - aha, manche sagen “Schina” und manche “Kina”, huch, ahaha - über solche Sachen kann Tin Fischer dem Interview nach durchaus mal “schmunzeln”. Okay, egal, gleich kommt bestimmt die Plagiatsfrage. Lese ganzes Interview durch. Es bleibt stabil langweilig. Was ist mit den Plagiatsvorwürfen? Keine Frage dazu. KEINE. EINZIGE. FRAGE. Totalversagen des Interviewers.

Ich fasse zusammen: Die OZ präsentiert Karten aus beiden Büchern - aus unserem Originalbuch und aus deren Plagiatsbuch mit den drei Eiern - und interviewt den Plagiator Fischer, ohne ein Wort über den Vorwurf zu verlieren? Liebe OZ, liebe Madsack-Gruppe, liebes Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), entweder ihr wisst von dem Plagiatsvorwurf, dann seid ihr schön daneben, weil ihr den zusammenhanglosen Müll trotzdem druckt. Oder ihr wisst nichts von dem Fall. Dann wart ihr die letzten Wochen im Bunker!

Falls ihr wirklich nichts mitbekommen habt - ihr seid einem Plagiator aufgesessen! Hier eine kleine Hilfe: Ihr hattet zu dem Vorfall einen Artikel in eurer eigenen Zeitung. Der war sauber recherchiert und gut geschrieben. Ihr könntet aber auch den FAZ-Artikel lesen oder den von der Welt, vom Deutschlandfunk oder den zweiten vom Deutschlandfunk oder den vom NDR oder den zweiten vom NDR oder den von Neues Deutschland oder Meedia oder MDR. Oder mal mit Video vom NDR? Könnte auf Nachfrage noch mehr liefern.

Am Ende des OZ-Artikels wird unser Buch dann noch kurz als ein “ähnliches Projekt” vorgestellt. Vielen Dank! Das ist ja gar nicht mal so falsch. Es ist so ähnlich, weil Hoca eine Nachahmung, eine Kopie, ein Plagiat, einen Klon unseres ersten Buches erstellt hat! Selbst wenn Hoca die Vermischung der Karten in diesem Artikel gar nicht veranlasst haben sollte, ist erneut klar geworden, dass mit diesem Buch nicht nur die Kunden, sondern auch ein Journalist getäuscht werden kann und die Hoca-Kopie als Teil einer Reihe mit KATAPULT-Büchern interpretiert wird.

Die Ostsee-Zeitung gehört zur Madsack-Gruppe und diese Madsack-Gruppe hat den zusammenhanglosen Artikel höchstwahrscheinlich in bis zu 15 Regionalzeitungen veröffentlicht. Wir haben hier bereits über 100 Mails von Lesern, die uns Fotos ihrer regionalen Zeitungen geschickt haben. Darunter beispielsweise die Leipziger Volkszeitung, die Lübecker Nachrichten und die Hannoversche Allgemeine. Die gesamten Madsack-Zeitungen haben insgesamt eine Auflage von mehreren Hunderttausend und erreichen weit über eine Million Leute, die das am Ende gelesen haben. Eine Richtigstellung an gleicher Stelle mit gleichem Umfang wäre journalistischer Standard.

Was ist sonst noch passiert?

Nach meinem Plagiatsvorwurf gab es Reaktionen von Hoca und Tin Fischer. Hoca hat genau so geantwortet, wie ich es beschrieben habe: schön knüppelig. Das ging etwa so: Nein, es ist keine Kopie, nein, ist es nicht, nein! Nein! Nein! Begründungen kennen die Leute dort nicht. Am Ende schreiben sie noch, sie hätten gerne weiter mit uns zusammengearbeitet, als müssten sie in diesem Moment nicht zu ihrem neuen Autor Tin Fischer stehen. Sie sind genauso stumpf, wie es die meisten erwartet haben.

Auch Tin Fischer hatte vor ein paar Wochen eine Stellungnahme veröffentlicht, die derzeit aber nicht mehr abrufbar ist, weil seine Internetseite down ist - soll das so? Er schrieb zusätzlich über Twitter, “Nicht ausrasten, lieber @BenniFredrich. Sie wissen, dass die Sache komplizierter ist”. Was Fischer irgendwie nicht mitbekommen hat: Sein Artikel hat ganze 408 Wörter, mein Artikel 3.189. Welcher wird wohl der kompliziertere sein? Entscheidet selbst.

In seiner Stellungnahme bringt Fischer kein Argument, auf das wir antworten müssten, aber eine Sache machte mich nachdenklich. Fischer schreibt zwar oben etwas locker “Nicht ausrasten, lieber ...”, aber an anderer Stelle auch zweimal “die persönlichen Angriffe sind verletzend”. Wir hatten in der Redaktion lange und mehrmals darüber gesprochen, inwieweit meine Angriffe einzelne Personen verletzen und wie angemessen das ist. Bei Tim Jung und Thomas Ganske war es uns egal, bei Tin Fischer nicht. Wir schwankten zwischen “ja, das ist zu hart formuliert” und “er wusste zu 100 Prozent, worauf er sich bei einer eindeutigen Buchkopie einlässt”. Seine Stellungnahme zeigt nun, dass er uns ganz gut verstehen kann - das schreibt er sogar in der Überschrift.

Unsere beiden Bücher verkaufen sich derzeit besser als vorher, jeweils etwa um die 800-mal pro Woche. Dazu kommen Verkäufe aus unserem Onlineshop. Der Absatz des Eierbuchs ist nach meinem Artikel einigermaßen eingebrochen. Hoca hatte damit vorher um die 400 Verkäufe pro Woche und steht jetzt bei 200. Für mein Empfinden immer noch 200 zu viel, aber gut. Insgesamt haben sich mehrere Hundert Buchhändler bei uns gemeldet und erklärt, dass sie das Eierbuch remittieren oder im Buchladen verstecken werden. Einige wollen jetzt sogar alle Hoca-Produkte boykottieren.

Hoca kann das Plagiat 1.000-mal bewerben und versuchen, Kunden und Journalisten zu täuschen, wir werden es 1.000-mal kommentieren und richtigstellen, dass es eine traurige Kopie unseres Buches ist.

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Autor:innen

Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.

Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.

Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Roman)

Pressebilder:

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