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Kinderbetreuung

Jedes siebte Kind unter drei Jahren bekommt keinen Kitaplatz

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Jedes siebte Kind in Deutschland unter drei Jahren hat 2020 keinen Platz in einer Kita, bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater bekommen, obwohl die Eltern es gerne in eine Betreuung gegeben hätten. Das geht aus einem Bericht des Instituts für Deutsche Wirtschaft (IW) hervor. Insgesamt fehlen mehr als 340.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren.

Die Betreuungslücken unterscheiden sich stark zwischen den einzelnen Bundesländern. Während in den meisten ostdeutschen Bundesländern der Bedarf fast gedeckt ist, sind die Lücken im Saarland, Bremen und in Nordrhein-Westfalen am größten. Hier haben knapp 20 Prozent aller Kinder unter drei Jahren keinen Betreuungsplatz. Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen nach Angaben des IW knapp 100.000 Plätze.

Dabei haben Eltern seit 2013 einen Rechtsanspruch auf Kindertagespflege für Kleinkinder. Das heißt, dass dem Kind ein Platz in einer Kindertageseinrichtung, bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater zusteht. Doch viele Kommunen können einen solchen Platz nicht garantieren. Dabei ist flächendeckende Kinderbetreuung eine wichtige Voraussetzung für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Ohne sicheren Betreuungsplatz muss mindestens ein Elternteil weniger arbeiten, um sich um die Kinder zu kümmern. Insgesamt bleiben eher Frauen zu Hause, um die Kinder zu betreuen. 2019 haben über 70 Prozent aller Frauen mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren in Teilzeit gearbeitet. Bei den Männern waren es gerade mal 7 Prozent.

Während der Corona-Pandemie hat sich die Situation für berufstätige Frauen mit Kindern nochmals verschlechtert. Während des Lockdowns konnten viele Kinder nicht betreut werden. Eingesprungen sind wieder einmal die Mütter. In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung gaben 54 Prozent der befragten Frauen an, sich überwiegend um die Kinder zu kümmern. Bei den Männern waren es gerade mal 12 Prozent.

Zwar hat Deutschland von 2008 bis 2018 über drei Milliarden Euro in den Ausbau von Kitas gesteckt, gleichzeitig ist die Zahl der fehlenden Betreuungsplätze in den letzten Jahren aber stetig angestiegen. Grund dafür ist, dass immer Eltern ihr Kleinkind betreuen lassen wollen. Der Bedarf der Eltern ist laut IW-Bericht auf rund 49 Prozent gestiegen. Das entspricht 1,17 Millionen Plätzen für das erste Halbjahr 2020. Im Vergleich zu 2015 ist das ein Anstieg um fast ein Viertel.

Auch hier zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. Denn die Betreuungsquote, also der Anteil der tatsächlich betreuten Kinder unter drei Jahren, unterscheidet sich stark zwischen den alten und neuen Bundesländern. Während es in der ehemaligen DDR üblich war, Kinder in eine Kita zu bringen, wurden sie in Westdeutschland eher von den Müttern betreut. Diese Betreuungskonzepte wirken auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung weiter. In Ostdeutschland waren im März 2020 im Schnitt mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung, im Westen nur knapp ein Drittel.

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Fußnoten

  1. Geis-Thöne, Wido: In Deutschland fehlen immer mehr Betreuungsplätze, auf: iwkoeln.de (11.10.2020).
  2. Bundesregierung (Hg.): Rechtsanspruch für unter Dreijährige, auf: bundesregierung.de (ohne Datum).
  3. Statistisches Bundesamt (Hg.): Eltern, die in Teilzeit arbeiten, auf: destatis.de (ohne Datum).
  4. Kohlrausch, Bettina, Zucco, Aline: Die Corona-Krise trifft Frauen doppelt, auf: boeckler.de (05/2020), S. 5.
  5. Bundesfamilienministerium (Hg.): Kita-Ausbau: Gesetze und Investitionsprogramme, auf: bmfsfj.de (17.06.2020).
  6. Tagesschau: 342.000 Kitaplätze fehlen, auf: tagesschau.de (11.10.2020).
  7. Geis-Thöne, Wido: Kinderbetreuung: Über 340.000 Plätze für unter Dreijährige fehlen, auf: iwkoeln.de (11.10.2020).
  8. Spiegel Online (Hg.): Große Unterschiede bei der Kinderbetreuung zwischen Ost und West, auf: spiegel.de (20.08.2020).
  9. Statistisches Bundesamt (Hg.): Betreuungsquote der unter 3-jährigen auf 35,0 % gestiegen, auf: destatis.de (30.09.2020).

Autor:innen

War 2020 Praktikantin bei KATAPULT.

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