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Hungersnöte

Der Hunger bleibt

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Der diesjährige Friedensnobelpreis wurde an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen verliehen. Das kam für viele überraschend - obwohl sich die weltweite Ernährungssituation gerade im vergangenen Jahr verschlechtert hat. Laut Global Report on Food Crises leiden weltweit 135 Millionen Menschen an den Folgen akuter Ernährungskrisen. 2018 lag der Wert noch bei 113 Millionen. Der Report wird jährlich von führenden Organisationen im Bereich der weltweiten Hungerhilfe herausgegeben.

Als akut wird eine Ernährungskrise von den Verfassern des Global Report eingestuft, wenn in einem Gebiet eine überdurchschnittliche hohe Zahl mangelernährter Personen verzeichnet wird oder die Haushalte das Minimum an Nahrungszufuhr nur unter größten Anstrengungen sichern können, indem sie beispielsweise lebensnotwendige Güter verkaufen. Ursächlich für akute Hungersnöte sind neben inner- oder zwischenstaatlichen Konflikten vor allem extreme Wetterlagen und Ernteausfälle, die damit zusammenhängen. Aber auch wirtschaftliche Schocks treffen anfällige Regionen besonders hart. Diese sind beispielsweise Preisschwankungen auf den globalen Lebensmittelmärkten in extremer Form ausgesetzt.

Im globalen Vergleich ist Subsahara-Afrika nach wie vor am stärksten von Hungersnöten betroffen. Insgesamt leiden auf dem Kontinent 73 Millionen Menschen unter krisenhaften Ernährungsengpässen - und für weitere 129 Millionen ist die akute Ernährungssituation laut Global Report angespannt. Neben Afrika haben vor allem der Nahe und Mittlere Osten sowie Teile Mittel- und Lateinamerikas mit Hungersnöten zu kämpfen. Aus Europa wird lediglich die Ukraine auf der Liste geführt. Im Unterschied zu Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten, wo bewaffnete Konflikte als Hauptursache ausgegeben werden, sind es in Mittel- und Lateinamerika vor allem ökonomische Schocks, die für die akuten Ernährungskrisen verantwortlich zeichnen.

Die Gesamtsituation hat sich in den vergangenen 20 Jahren gleichwohl verbessert. Der weltweite Hunger wurde gemäß dem Welthunger-Index im Jahr 2000 noch als “ernst” bezeichnet. 2020 wird er als “mäßig” eingestuft. Die besonders verletzlichen Länder und Regionen profitieren hiervon jedoch nur sehr bedingt. Um die Hungerkrisen weltweit und nachhaltig bekämpfen zu können, so die Welthungerhilfe, bedarf es ganzheitlicher Lösungsansätze. Neben der Stärkung regionaler Lebensmittelmärkte und der Verbesserung lokaler Recycling-Systeme brauche es auch internationale Kooperation - etwa mit Blick auf den Abbau von Handelsungerechtigkeiten.

Wenn in diesen Bereichen nicht unverzüglich gehandelt werde, werde sich die Situation in den besonders betroffenen Regionen weiter verschlechtern. Das Ziel der Vereinten Nationen bis 2030 einen “Null Hunger”-Zustand herzustellen, sei dann nicht erreichbar, so die Befürchtung der Welthungerhilfe.

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Fußnoten

  1. Global Network Against Food Crises (Hg.): 2020 Global Report on Food Crises. Joint Analysis for Better Decisions, auf: wfp.org.
  2. Ebd.
  3. Ebd.
  4. Ebd.
  5. Ebd.
  6. Ebd.
  7. Welthungerhilfe (Hg.): 2020 Welthunger-Index. Kein Hunger bis 2030: Gesundheit und nachhaltige Ernährungssysteme zusammen denken, auf: welthungerhilfe.de.
  8. Ebd.
  9. Süddeutsche Zeitung (Hg.): Corona wirkt in Hungerkrise als »Brandbeschleuniger«, auf: sueddeutsche.de (13.10.2020).

Autor:innen

Geboren 1986, ist seit 2020 Redakteur bei KATAPULT. Er hat Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Greifswald studiert und wurde mit einer Arbeit im Bereich Politische Ideengeschichte promoviert. Zu seinen Schwerpunkten zählen die deutsche Innenpolitik sowie Zustand und Entwicklung demokratischer Regierungssysteme.

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