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Flüchtlingspolitik

Der Schleuser

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Nach dem Überqueren der Grenze lässt der Schleuser den Flüchtling ein Schriftstück unterzeichnen, in dem dieser sich verpflichtet, den Schleuser zu bezahlen. Wegen der großen Summe wird Ratenzahlung vereinbart. Doch der Flüchtling zahlt nicht. Daraufhin reicht der Schleuser Klage beim zuständigen Gericht ein.

Was heute unvorstellbar klingt, war für den Bundesgerichtshof im Jahr 1977 ziemlich unproblematisch: »Ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, dem anderen Vertragsteil für die sogenannte Ausschleusung [...] ein Entgelt zu zahlen (Fluchthelfervertrag), verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot noch ohne weiteres gegen die guten Sitten.«

Wenn es heute um Schleuser oder Schlepper geht, werden diese gerne mit Menschenhändlern gleichgesetzt. Die Schlagzeilen von überfüllten Booten scheinen die verwerfliche Gesinnung der Schleuser zu belegen. Die politischen Umstände von damals und heute sind sicherlich nicht vergleichbar. Aber wie kann es sein, dass die Fluchthelfer von damals mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt werden, während die Fluchthelfer von heute zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt werden? Sind ihre Handlungen tatsächlich so grundverschieden?

Wenn für die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini das Elend im Mittelmeer »[...] nicht nur ein[en] humanitäre[n] Notstand, sondern auch eine sicherheitspolitische Krise« darstellt, dann liegt sie damit erst einmal richtig. Gemeint ist damit allerdings nicht die Sicherheit der Flüchtlinge, sondern die der Grenze. Die Entscheidungen, die sie aufgrund dieser Feststellung trifft, sind dann auch ziemlich grotesk. Gemeinsam mit den Staats-und Regierungschefs der EU plant sie nun die Zerstörung potentieller Schlepperboote an der libyschen Küste.

Wie die Einstufung als »Schlepperboot« ablaufen soll, bleibt erst einmal offen. Um das benötigte UN-Mandat für die Operation in libyschen Hoheitsgewässern bemüht man sich derzeit. Die diesbezüglichen Verhandlungen mit Libyen seien »konstruktiv«, nichts werde gegen den Willen Libyens geschehen, versichert Mogherini. Fraglich ist nur, warum dann trotzdem ein UN-Mandat benötigt wird und mit wem genau die EU in diesem »failed state« gerade Verhandlungen führt.

Warum wird eigentlich nicht eine Einreise beziehungsweise der Antrag auf Asyl nach einer sicheren Überfahrt auf einer ganz normalen Fähre ermöglicht? Wer sich dann um die Sicherheit der Grenze sorgt, muss erklären, warum an einer Küste nicht der gleiche Grenzschutz gewährleistet werden kann wie auf dem Festland. Schließlich können Schiffe nur in Häfen anlegen, welche deutlich einfacher zu kontrollieren sind als Grenzen an Land.

Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Das wird sich auch mit dem Zerstören der Fluchtmittel nicht ändern. Viele andere Staaten, aber auch Menschen in Deutschland, haben das bereits verstanden. Doch die politische Führung traut sich (noch) nicht, der großen Mehrheit diesen Fakt zu präsentieren und mit der Organisation der Flüchtlingsaufnahme zu beginnen.

Ilka Schröder, ehemalige Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament, schlug vor gut zehn Jahren die finanzielle Förderung der Schleuser vor. Nur so könne die Ausübung des Asylrechts in der EU gewährleistet werden. Die parteiinternen Reaktionen auf diesen Vorschlag endeten mit ihrem Parteiaustritt.

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Flüchtlingsrecht
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